50 Jahre Zentralkläranlage Sendelbach
Eintrag vom 26.01.2021, 10:36 Uhr
Vor 50 Jahren, am 15.01.1971 wurde in Süd-Ägypten der weltberühmte Assuan-Staudamm zur Regulierung der Nilhochwässer eröffnet. Am gleichen Tag wurde in Lohr nach einem etwa achtmonatigen Probebetrieb die Kläranlage im Lohrer Stadtteil Sendelbach der Öffentlichkeit übergeben. Die damalige mechanisch-biologische Anlage war technisch auf der Höhe der Zeit und wurde in der örtlichen Presse gar als „Technisches Wunderwerk“ gelobt.
Freilich gingen die Planungen im Grunde schon Jahrzehnte vorher los, führte der damalige Bürgermeister Gerd Graf in seiner Ansprache aus. Bereits im Jahr 1937 sei der erste Planungsauftrag erteilt worden. Krieg und das darauffolgende Chaos hatten die Ausführung zunächst verhindert. Aber schon 1947 war das Problem der Abwasserbeseitigung erneut angegangen worden. Damals plante man rechtsmainisch ein Gesamtklärwerk auf der Höhe des späteren Schlachthauses.
1954 wurde mit der Gesamtkanalisation der Stadt begonnen, 1957 das wasserrechtliche Verfahren eingeleitet. Schließlich einigte man sich 1963 endlich auf den Standort auf der Sendelbacher Mainseite und plante bereits so, dass auch die damaligen Nachbarorte und späteren Stadtteile Wombach und Sackenbach, sowie das Nervenkrankenhaus ihre Abwässer dort klären lassen konnten. Allerdings war dafür das Einziehen eines Abwasserdükers unter der Mainsohle nötig.
Von 1967 bis 1970 baute man an der Kläranlage mit einer Ausbaugröße von 35.000 Einwohnergleichwerten und nahm sie im Sommer 1970 probeweise in Betrieb. Nachdem die „Kinderkrankheiten“ ausgeheilt waren, kam es dann im Januar des Folgejahres zur offiziellen Übergabe. Das etwa 4 Mio. DM teure Projekt stand technisch und finanziell im Zusammenhang mit dem insgesamt 13 Jahre dauernden Projekt „Gesamtkanalisation“ der Stadt. Diese musste nach Abzug aller staatlichen Zuschüsse immerhin noch etwa 11 Mio. DM dafür aufwenden.
Bürgermeister Graf betonte bei einer kleinen Feier, dass alle wüssten, wie wichtig der Umweltschutz sei und dass die neue Kläranlage das mit Abstand größte Tiefbauwerk der Stadt sei. Gleichzeitig bedauerte er, dass man nur nicht allzu viel von den Millionen sehe, die hier vergraben seien. Eine gründliche Überprüfung der Gebühren kündigte er damals ebenfalls an.
Die gesamte Anlage bestand aus einem großen Schneckenhebewerk, einer Grobrechenanlagen, einem Feinrechen, einem belüfteten Sandfang, einem Vorklärbecken, einem nachgeschalteten Entlastungsbauwerk, einem Belebtschlammbecken und einem Nachklärbecken. Gesteuert wurde der Reinigungsvorgang vom Betriebsgebäude mit einem nach seinerzeitigen Verhältnissen hochmodernen Schalttableau. Schon damals wurde der Klärschlamm in einem Faulturm nachbehandelt, das entstandene Klärgas in einem großen Gasbehälter gespeichert und schließlich für Heizzwecke verwendet. Entwässert wurde der ausgefaulte Schlamm in Trockenteichen. Ein Klärwärterwohnhaus, Straßen, Abstellplätze und ein Hochwasserdamm komplettierten die Kläranlage.
Der Volksmund hatte übrigens das rechte Mainufer wegen der über den Boden hochragenden Kanalschächte des Hauptsammlers „U-Boot-Friedhof“ und die neue Kläranlage wegen der äußerlichen Ähnlichkeit zur modernen Wombacher Rundkirche am gegenüberliegenden Ufer kurzerhand „St. Klara“ getauft. Deshalb gab es vor einem Rundgang über die neue Anlage für die Feiergäste hochprozentiges „St.-Clara-Wasser“, um sie „wegen des kalten Wetters zu immunisieren“, wie es offiziell hieß. Danach habe niemand mehr an dem gewaltigen Kläreffekt der neuen Kläranlage gezweifelt.