Praxistag Kommunalwald³
Eintrag vom 22.10.2024, 11:41 Uhr
Am Vormittag führte Erster Bürgermeister, Dr. Mario Paul, in die Veranstaltung ein: Zunächst zeichnete er den jahrzehntelangen Entwicklungspfad der nachhaltigen Waldbewirtschaftung im Lohrer Stadtwald nach. Dabei würdigte er Bernhard Rückert, der von 1988 bis 2021 die Bewirtschaftung zukunftsfähig ausrichtete und sukzessive Politik und Stadtgesellschaft von seinem Weg überzeugen konnte. „Es braucht Menschen, die vorausgehen und mitreißen können. In Zeiten der Biodiversitätskrise und des Klimawandels sind sie wichtiger denn je.“, so Pauls motivierender Appel an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Michael Neuner übernahm 2021 die Leitung des städtischen Forstbetriebes und entwickelt seither die Bewirtschaftungskonzepte konsequent weiter. „Er zeigt in bester Weise, dass sich Natur- und Trinkwasserschutz mit Wirtschaftlichkeit vereinen lassen und die Stadt gibt ihre Erkenntnisse dazu gerne weiter“, leitete der Erste Bürgermeister in den fachpraktischen Teil über.
Moderne Bewirtschaftungsansätze im Lohrer Stadtwald
Michael Neuner präsentierte beeindruckende Zeitreihen und Kennzahlen, die verdeutlichen, warum der Lohrer Stadtwald bei den bayerischen Wäldern ganz vorne mit dabei ist:
- 42 Vorratsfestmetern Totholz je Hektar, das zahlreichen Insekten und Pilzen Lebensräume und Nahrung bietet,
- 15 Biotopbäume je Hektar, die Höhlen für Vögel, Fledermäuse und Käfer aufweisen
- dauerhaften Stilllegung von fünf Prozent der Stadtwaldfläche
Zudem berichtete Neuner von bodenschonenden Rückeverfahren, einem absoluten Pestizidverzicht sowie dem ausschließlichen Einsatz biologisch abbaubarer Öle und Treibstoffe, um den Waldboden und das Trinkwasser bestmöglich zu schützen. Der Forstbetriebsleiter verheimlichte nicht, dass nachhaltige Waldbewirtschaftung in dieser Form die Kostenseite der Bilanz erhöhte. Mit qualifiziertem und motiviertem Personal, zielgerichteter Holzaufbereitung und -vermarktung sowie der konsequenten Nutzung von Förderinstrumenten übertrifft die Steigerung der Erlöse die Mehrkosten allerdings deutlich. Dass der Stadtwald in den vergangenen 20 Jahren ausschließlich positive Beiträge zum städtischen Haushalt beitrug, lässt keinen Zweifel an den Ausführungen und führte zu einem regen Austausch, wie diese Ansätze auf die anderen kommunalen Wälder zu übertragen sein könnten.
Exkursion in den Stadtwald: von der Theorie zur Praxis
Beispiele und Anleitungen zur praktischen Umsetzung zeigte Michael Neuner am Nachmittag bei einer Busexkursion durch die Lohrer Wälder. Am ersten Halt wurde der hohe ökologische Wert von Totholz thematisiert. Im weiteren Verlauf der Fahrt erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer praxiserprobte Hinweise zur Verjüngung von Tanne, Buche und Eiche. Eine zielgerichtete Schalenwildbejagung ist hier ein wichtiges Instrument. „Unser Ziel sind lebensraumangepasste Schalenwildbestände, die das Aufwachsen einer gesunden Naturverjüngung zulassen“, bekräftigte Neuner die Lohrer Strategie.
Diese hat nicht nur das Holz im Blick. Wasserrückhaltung und Speicherung als Beiträge zum Hochwasserschutz und zur Trinkwasserbildung sind ebenfalls von zentraler Bedeutung. Mit der Anlage von Teichen und Tümpeln wird die Kapazität, Wasser im Wald zurückzuhalten erhöht und nebenbei entstehen neue Lebensräume für Amphibien und Libellen. Damit diese umfassende Balance in den zusammen 4150 Hektar großen Waldgebieten gelingt, stellt Forstbetriebsleiter Neuner abschließend eine integrierte forstliche und naturschutzfachliche Planung als Innovation seines Betriebes vor. Neben der klassischen forstwirtschaftlichen Karte arbeitet der städtische Forst seit vergangenem Jahr auch mit einer Naturschutzkarte. „Wir behalten damit alle Ziele im Blick und integrieren den Schutz der Gemeinwohlleistungen in die langfristige Bewirtschaftungsstrategie“ fasst er die Exkursionsergebnisse mit einem Blick in die Zukunft zusammen.
„KomBi“: Unterstützung von Kommunen, die sich für die Biodiversität engagieren möchten
Ob im Offenland, an Gewässern, im Siedlungsraum oder bei der Bewusstseinsbildung: Florian Lang vom Projekt „KomBi“ sensibilisierte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die vielen weiteren Handlungsfelder, in denen sich Kommunen für die Biodiversität engagieren können. Er unterstützt von Lohr aus bayernweit Kommunen im Biodiversitätsschutz. Mit ihren Flächen, ihrer Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern sowie den sehr guten Kontakten zu Behörden, Verbänden und in die Landwirtschaft sind Kommunen die ideale Umsetzungsebene. Eine Erkenntnis, die die Trägergemeinschaft von „KomBi“, bestehend aus dem BUND Naturschutz, dem Landesbund für Vogel- und Naturschutz und der Stadt Lohr a.Main zur Initiierung des Projekts im Jahr 2023 veranlasst hat. Durch ihren Beitrag und eine Förderung des Bayerischen Naturschutzfonds in Höhe von 85 % der Kosten stehen die Unterstützungsleistungen von „KomBi“ allen bayerischen Kommunen bis 2028 kostenfrei zur Verfügung. „Es gibt zahlreiche wirkungsvolle Maßnahmen, die mit geringem Aufwand übertragen werden können“, warb Lang angesichts des stetigen Rückgangs der Artenvielfalt bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern um mehr Engagement, „denn es geht um die Sicherung der menschlichen Lebensgrundlagen“.